Das Digitalisierungsprojekt des alten jüdischen Friedhofs Kassel-Bettenhausen

Das Digitalisierungsprojekt des alten jüdischen Friedhofs Kassel-Bettenhausen

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Seit August 2024 arbeiten wir – Gabriela Katz, Allistair Sebastián Fritz López Mercado und Moritz Tempel – an der Digitalisierung des alten jüdischen Friedhofs in Kassel-Bettenhausen. Das Projekt wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur gefördert und vom Sara Nussbaum Zentrum für Jüdisches Leben sowie der Jüdischen Gemeinde Kassel unterstützt. 

Die Idee zu diesem Projekt entstand aus einer sehr konkreten Erfahrung: Das Sara Nussbaum Zentrum und auch die Jüdische Gemeinde Kassel erhalten regelmäßig Anfragen von Nachkommen ehemaliger Kasseler Jüdinnen und Juden, die im Ausland leben und erfahren möchten, wo sich die Gräber ihrer Vorfahren befinden. Bisher war es so, dass wir in solchen Fällen persönlich auf den Friedhof gehen und mühsam suchen mussten. Dieser Prozess war zeitaufwendig und oft ungenau. Unsere Arbeit soll es künftig ermöglichen, dass diese Informationen für alle leichter und schneller zugänglich sind.

Ein weiterer wichtiger Grund für das Projekt ist der Zustand des Friedhofs selbst. Wie alle jüdischen Friedhöfe weltweit ist auch er von Vandalismus bedroht. Hinzu kommt, dass die Witterung über die vergangenen Jahrzehnte viele Grabsteine beschädigt hat. Manche sind komplett zerbrochen, andere sind so stark verwittert, dass Inschriften kaum noch oder gar nicht mehr lesbar sind. Diese Entwicklung schreitet immer weiter voran. Mit den Fotografien und den Daten, die wir erfassen, möchten wir nicht nur die Suche erleichtern, sondern zugleich eine Grundlage schaffen, die Recherchen und zukünftige Restaurierungen unterstützt.

Der alte jüdische Friedhof ist von besonderer Bedeutung, weil er das letzte greifbare Zeugnis der alten jüdischen Gemeinde Kassel ist. Synagogen und andere Gebäude wurden entweder von den Nationalsozialisten zerstört oder fielen den Bombardierungen auf die Stadt zum Opfer. Der Friedhof ist daher ein einzigartiger, lebendiger Ort des Erinnerns.

Als Ausgangspunkt unserer Arbeit diente uns eine alphabetische Liste, die Esther Haß vor vielen Jahren erstellt hat. Diese Liste haben wir für unsere Arbeit genutzt und mit unseren eigenen Ergebnissen abgeglichen. Der Friedhof ist in vier große Bereiche gegliedert. Wir haben uns zunächst auf den jüngsten Teil konzentriert, der bereits in 30 unterschiedlich große Abteilungen eingeteilt ist. Jede Abteilung wurde von einem von uns übernommen, und wir haben jedes einzelne Grab fotografiert. Zu jedem Grabstein wurden Vor- und Nachname, Geburtsdatum (und -ort), Sterbedatum (und -ort) sowie die Inschrift in eine Tabelle eingetragen. Ergänzend haben wir Anmerkungen festgehalten, etwa zum Zustand des Grabsteins oder zu besonderen Merkmalen. 

Die Tabelle lässt sich über den Link unterhalb dieses Texts öffnen. Sie enthält eine Seite mit der alphabetischen Liste und jeweils eine Seite für die einzelnen Abteilungen.

Über ein Jahr hinweg kehrten wir immer wieder zum Friedhof zurück, zusammen, oft aber auch einzeln – bei Regen, Schnee, Wind oder Hitze. Sogar nach leichten Regenschauern waren viele Steine noch schwerer lesbar. Zahlreiche Gräber sind überwuchert, da die meisten Nachkommen nicht in Kassel leben und somit nur die wenigsten Gräber gepflegt werden. Ohne spezielles Werkzeug und ohne die Steine weiter zu beschädigen, haben wir Moos und Efeu so gut es ging entfernt, um an die Inschriften heranzukommen.

Immer wieder waren wir beeindruckt von der Vielfalt und der Gestaltung der Grabsteine. Viele sind mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail gefertigt, und wir können nur ahnen, welche Geschichten sich in den Inschriften und Symbolen spiegeln.

Das Projekt ist nicht abgeschlossen. Es fehlen noch die drei älteren Teile des Friedhofs. Diese Bereiche sind nicht in Abteilungen unterteilt und es gibt für sie auch keine Liste, was die Erfassung deutlich schwieriger macht. Aber auch dort gibt es viel zu entdecken, und unser Ziel ist es, langfristig den jetzigen Zustand des gesamten Friedhofs digital zu dokumentieren.

Mit diesem Projekt wollen wir einen nachhaltigen Beitrag leisten: für die Nachkommen, die nach Spuren suchen, für die Erinnerungskultur in Kassel – und für den Schutz eines einzigartigen kulturellen Erbes.

Gabriela Katz

The Digitization Project of the Old Jewish Cemetery in Kassel-Bettenhausen

The idea for this project arose from a very specific experience: The Sara Nussbaum Center and the Jewish Community Kassel regularly receive inquiries from descendants of former Jewish residents of Kassel who now live abroad and want to know where the graves of their ancestors are located. Until now, in such cases, we had to personally visit the cemetery and search manually — a time-consuming and often imprecise process. Our work aims to make this information more easily and quickly accessible to everyone in the future.

Since August 2024, we — Gabriela Katz, Allistair Sebastián Fritz López Mercado, and Moritz Tempel — have been working on the digitization of the old Jewish cemetery in Kassel-Bettenhausen. The project is funded by the Hessian Ministry of Science and Research, Art and Culture, and supported by the Sara Nussbaum Center for Jewish Life as well as the Jewish Community Kassel.

Another important motivation for the project is the condition of the cemetery itself. Like all Jewish cemeteries worldwide, it is under threat from vandalism. In addition, the weather over the past decades has damaged many gravestones — some have completely broken apart, while others have become so eroded that their inscriptions are barely or no longer legible. This deterioration continues to worsen. With the photographs and data we are collecting, we not only want to simplify the search process but also create a foundation for future research and potential restoration efforts.

The old Jewish cemetery is of particular significance because it is the last tangible witness to Kassel’s former Jewish community. Synagogues and other buildings were either destroyed by the National Socialists or lost during the bombing of the city. The cemetery, therefore, remains a unique and living site of remembrance.

Our work began with an alphabetical list compiled many years ago by Esther Hass. We used this list as a starting point and cross-checked it with our own findings. The cemetery is divided into four main sections. We began with the most recent part, which is already subdivided into 30 sections of varying sizes. We assigned each section to one of us, and photographed every single grave. For each gravestone, we recorded the first and last names, birth date (and place), death date (and place), as well as the inscription in a spreadsheet. We also noted additional observations, such as the condition of the gravestone or unique features.

The spreadsheet can be accessed via the link below this text. It includes one sheet with the alphabetical list and a sheet for each individual section.

Over the course of a year, we returned to the cemetery again and again — sometimes as a team, often alone — in rain, snow, wind, or heat. Even after light rainfall, many stones were much harder to read. Numerous graves are overgrown, as most descendants no longer live in Kassel and only few graves are maintained. Without specialized tools and without further damaging the stones, we carefully removed moss and ivy as best we could to reveal the inscriptions.

Time and again, we were struck by the diversity and design of the gravestones. Many are crafted with great care and attention to detail, and we can only imagine the stories reflected in the inscriptions and symbols.

The project is not yet complete. The three older sections of the cemetery are not available in our spreadsheet. These areas are not divided into sections, nor is there an existing list, which makes the documentation process significantly more difficult. But there is much to discover there as well, and our goal is to digitally preserve, in the long term, the current state of the entire cemetery.

With this project, we hope to make a lasting contribution: for the descendants searching for traces of their families, for the culture of remembrance in Kassel, and for the protection of a unique cultural heritage.

Gabriela Katz

alter Übersichtsplan Jüdischer Friedhof Kassel-Bettenhausen
old overview map of the Jewish Cemetery Kassel-Bettenhausen

alter Übersichtsplan Jüdischer Friedhof Kassel-Bettenhausen